150 Neonazis marschierten über drei Stunden lang unter dem Schutz eines Wanderkessels durch Heide. Der Aufmarsch, der von Inge Nottelmann und Tobias Thiessen aus Hennstedt-Ulzburg organisiert wurde, lief unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen". Etwa 70 Linke wurden über drei Stunden lang von der Polizei eingekesselt und erst nach Abfahrt der Nazis gegen 17.30 Uhr wieder freigelassen. Den restlichen AntifaschistInnen gelang es jedoch einen der drei geplanten Kundgebungsorte zu besetzen und so immerhin die am Rondell am Marktplatz vorgesehene Kundgebung zu verhindern, so dass die Nazis auf abgelegenere Ortsteile ausweichen mussten und der Aufmarsch verkürzt wurde. Angesichts der Ausgangslage muss dies als grosser Erfolg für die GegendemonstrantInnen gewertet werden.
Die Behörden versuchten im Vorfeld nicht, den Naziaufmarsch zu verbieten. Stattdessen vertuschten sie die bereits am 1. Februar angemeldete Demo. Nach Bekanntwerden bat der Bürgermeister Ulf Stecher (CDU) die Bürgerinnen und Bürger darum, zu Hause zu bleiben und beim Vorbeiziehen des Demonstrationszuges nicht aus den Fenstern zu gucken. Gegenüber der Presse äusserte er sogar den Wunsch, dass die Berichterstattung nicht so gross ausfallen möge.
Der Landrat Thiessen formulierte es auf einer Pressekonferenz in Vorraus ohne Schnörkel: Ziel sei es, die Nazi-Demo ohne Ausschreitungen - und möglichst auch ohne viel Aufhebens - über die Bühne zu bringen. Man traute seinen Ohren nicht. Eine Nazidemo ist sein Ziel!
(Und Polizeichef Beitsch ist sich) sicher, dass aus dem Demonstrationszug der rechten keine offensive Gewalt kommen wird - allenfalls nach entsprechender Provokation. Die Polizei will verhindern, dass Gegner (..) sich auf die Lage einstellen können. Nazis sind also leine Gewalttäter. Es war ungeheuer schwierig, eine Gegenmobilisierung zu führen. Die Opfer der Polizeiwillkür, die Festnahmen, Hundebisse, Einkesselung stehen hilflos und alleine da. Müssen mit Verfahren rechnen. Das hat die Polizei erreicht.
Der Polizeichef Wolf-Rüdiger Beitsch tat sich im Vorfeld besonders hervor durch das Verharmlosen der Nazis, die sich wohlgemerkt selbst so nennen. Dagegen nannte er es "schon fast übertrieben", zu sagen, die Anmelderin Inge Nottelmann sei eine Rechtsradikalistin. Ausserdem war er sich sicher, dass von den Rechten keine Gewalt ausgehen werde, wofür er sogar Gewähr bieten wollte. Wie nach diesen äusserungen zu erwarten war, zeigte sich der Einsatzleiter Beitsch laut Polizei-Pressemitteilung (!) "ausgesprochen zufrieden mit dem Verlauf des Geschehens" am 1. Mai, also mit dem Durchsetzen des Naziaufmarsches.
15 Strafverfahren sind eingeleitet worden, 12 davon gegen Linke. Zweimal wurde versucht, durch Sitzblockaden die Nazis aufzuhalten, was aber nicht gelang.
Es hat sehr wohl genügend Möglichkeiten gegeben, diesen Spuk vorher zu verhindern, es erscheint so, als wollten die Verantwortlichen dies unbedingt durchführen. Das muss geprüft werden. Die Verharmlosung der Nazis und der offenen Hass gegen Linke muss zum öffentlichen Thema werden.
Dazu gehört auch das Verhalten des Verwaltungsrichters.Ein 21-jähriger Dithmarscher hatte am Freitag mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht noch versucht, den Aufmarsch verbieten zu lassen, scheiterte aber. Als Begründung gab er an, dass die Veranstalter sich selbst als "Nazis in Holstein" bezeichneten, was verfassungswidrig sei.
Auch das Bekenntnis des 21- jährigen, das er Jude sei, rührte das Gericht nicht: Vorraussetzung für die Zulässigkeit wäre, dass eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Antragstellers möglich erscheine. Das sei nicht der Fall. So das Gericht. Darauf bezog sich dann einer der Veransalter Tobias Thiessen am 1.Mai bei der Ansprache: Zitat 1: Wir müssen das politische System durch ein nationales und sozialistisches Deutschland ersetzen.
Zitat 2: Ein 21jähriger Jude beantragte ganz frech das Verbot unserer Demonstration, weil er sich angeblich in seiner persönlichen Würde bedroht fühlte. Sein Antrag wurde aber am Freitagnachmittag vom Verwaltungsgericht Schleswig abgelehnt. Einem Bericht der Dithmarscher Landeszeitung zufolge hat dem Herrn Juden unser Flugblatt nicht gepasst, in dem wir zu diesem Marsch aufriefen und dazu aufgefordert haben, das politische System an der Wurzel zu packen. Wir können allerdings versichern, dass wir nicht nur dazu auffordern, sondern es auch wirklich tun werden.
Und auf der Nazi- Homepage war dann dies zu lesen: Ein 21jähriger Jude, dem unser Flugblatt missfiel, wollte sogar ganz frech ein Verbot unserer Demonstration erreichen, was aber vom zuständigen Verwaltungsgericht abgeschmettert wurde.