Dithmarscher Landeszeitung vom 12. August 2011
Groven - Für den kleinen Ort Groven wird die in der Nazizeit ermordete Widerstandskämpferin Elisabeth Bruhn in Internetquellen als berühmteste Persönlichkeit geführt. Und doch ist sie in dem Dorf nahe Lunden vergessen. "Elisabeth Bruhn? Nie gehört", sagt Vize-Bürgermeisterin Marie-Louise Witt. "Ich lebe zwar schon seit 37 Jahren hier, aber auch die Familie Holz sagt mir nichts." Und auch ihr Mann Hans-Willi kann sich nicht erinnern, obwohl er in Groven geboren und aufgewachsen ist. So wie den Witts geht es wohl vielen der knapp 130 Einwohner in dem kleinen Ort. "Vielleicht wollte man einfach nicht darüber reden damals", vermutet die zweite Bürgermeisterin. Dabei ist die Kommunistin und Widerstandskämpferin Elisabeth Bruhn, geborene Holz, zumindest in linken Kreisen eine bekannte Persönlichkeit. Geboren wurde Elisabeth Bruhn 1893 am zweiten Weihnachtstag im Grovener Ortsteil Nesserdeich direkt am Eiderdeich. Welches ihr Geburtshaus war, weiß heute niemand mehr. Ihr Vater, der Landarbeiter Johann Holz, und seine Frau Katharina hatten noch vier weitere Kinder. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, und Elisabeth musste schon früh als Kindermädchen zum Lebensunterhalt mit beitragen. Nach der Schule ging das junge Mädchen von der Eider an die Ostsee. In Kiel fand sie eine Anstellung als Haushaltshilfe und auch ihre große Liebe, den jungen Marinesoldaten Gustav Bruhn. 1913 wurde geheiratet, und schon bald erblickte Sohn Heinrich das Licht der Welt. Auch er wurde in Nesserdeich geboren. Während des Ersten Weltkrieges zog Elisabeth nach Hannover. Dort arbeitete sie bei der Eisenbahn, und hier wurde sie auch politisch aktiv. Sie trat dem Spartakusbund und später der KPD bei. Nach dem Krieg zogen die Bruhns in Elisabeths Heimat nach Dithmarschen zurück. Hier waren beide in der links-politischen Szene der Kreisstadt sehr aktiv. Gustav Bruhn war Kreistagsabgeordneter der KPD. Seine Frau leitete den Heider Jung-Spartakus-Bund. 1928 wurde Gustav Bruhn in den preußischen Landtag gewählt, und die Familie ging nach Hamburg-Altona. Auch dort war Elisabeth Bruhn politisch aktiv. Deshalb wurde die 40-Jährige 1934 von der Gestapo verhaftet und wegen "Wiederaufbau der Kommunistischen Partei und Vorbereitung zum Hochverrat" zu zwei Jahren Haft im Lübecker Frauengefängnis verurteilt. Bereits kurz nach ihrer Entlassung wurde Elisabeth Bruhn 1936 erneut verhaftet, genau wie Mann, Sohn und Schwiegertochter, und musste ein Jahr im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel einsitzen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges schloss sich Bruhn einer Antikriegsgruppe an und unterstützte in der Illegalität lebende Genossen. Im Oktober 1942 kam es erneut zu einer Verhaftungswelle gegen deutsche Kommunisten und Sozialisten. In Hamburg waren Elisabeth Bruhn und ihr Mann Gustav mit die ersten, die inhaftiert wurden. Weil 1943 Hamburger Gefängnisse durch Bombardierung zerstört worden waren, entließ die Gestapo zahlreiche Untersuchungshäftlinge für zwei Monate "Hafturlaub". Die Bruhns verschwanden, wurden aber Anfang 1944 von einem Nazi-Spitzel verraten und erneut verhaftet. Am 14. Februar 1944 wurden Elisabeth und Gustav Bruhn sowie zwei weitere Kommunisten ohne Prozess oder Urteil im Exekutionsbunker des Konzentrationslagers Neuengamme gehängt. Eine gewisse Karriere in der ehemaligen DDR machte übrigens Elisabeths Sohn Heinrich Bruhn. Nach seiner Haftentlassung 1939 musste er als Soldat an die Front. Er überlebte auch die Kriegsgefangenschaft. Nach Kriegsende wurde er Abgeordneter der Volkskammer, studierte Gesellschaftswissenschaften und wurde Professor an der Universität von Leipzig. Er starb 1986 im Alter von 73 Jahren. In ihrem Geburtsort Nesserdeich erinnert nichts an Elisabeth Bruhn oder ihren Sohn. Aber in Hamburg ist die Widerstandskämpferin unvergessen: Auf dem Ohlsdorfer Friedhof steht ein Gedenkstein für das Ehepaar Bruhn. In Bergedorf wurde die Lisbeth-Bruhn-Straße nach ihr benannt, und ein Stolperstein für Elisabeth Bruhn aus Nesserdeich liegt in der Eimsbütteler Bogenstraße.